.love, .app, .lol – wer macht das Rennen um die begehrtesten Top-Level-Domains?

TLDs3Die Internet-Corporation for Assigned Names and Numbers – kurz ICANN – hat das Bewerbungsverfahren um die neuen Top-Level-Domains u.a. aufgrund von Softwareproblemen vorerst beendet. Die Organisation hat nun mit der Prüfung der eingereichten Anträge begonnen und angekündigt, eine neue Roadmap mit den weiteren Schritten und Terminen bekannt zu geben, wie es im Verfahren weitergeht. Die Beteiligung am so genannten „digitalen Bogenschießen“ hatte sich in Grenzen gehalten. Laut ICANN waren es nur 20 Prozent der Antragsteller, die daran teilnahmen.

Ich habe mit Peter Hupfauer, dem Geschäftsführer der Münchner Registry.net GmbH gesprochen und ihn um eine Einschätzung gebeten, wie es im Verfahren weitergehen wird.

Das Bewerbungsverfahren

TLD-Bewerbungen nach Weltregionen
Bewerbungen nach Weltregionen, Quelle: eco Verband der deutschen Internetwirtschaft

Der Münchner Registry-Service-Provider registry.net GmbH hatte im Auftrag von Bewerbern das “Digitale Bogenschießen” durchgeführt. Bei diesem Verfahren konnten die Bewerber sich selbst einen Platz beim Verfahren der ICANN zuweisen und seine Chancen auf eine zügige Bearbeitung seiner Bewerbung zu verbessern. Zu den beliebtesten Endungen aus 1930 Bewerbungen aus 60 Ländern zählen .app, .home, .inc, .art, .blog, .book, .design, .cloud, .hotel, .love, .ltd, .mail, .news, .store und .web. Darunter gab es auch viele Mehrfachbewerbungen für Domains, die nun ggf. versteigert werden sollen, sollte sich anhand der Bewerbungen kein ‚Gewinner‘ ermitteln lassen.

Mit 911 Anträgen verbuchte Nordamerika die meisten Bewerbungen für sich, Europa belegt vor Asien und Pazifik mit 303 Bewerbungen, Lateinamerika und der Karibik mit 24 und Afrika mit 17 den zweiten Platz mit 675 Bewerbungen.

Interview mit registry.net


Bildschirmfoto 2013-02-11 um 22.32.04Andrea Hanninger: Herr Hupfauer, warum gab es Probleme beim Bewerbungsverfahren der ICANN?

Peter Hupfauer: Zum einen aufgrund der hohen Bewerberzahl. Die ICANN hatte etwa mit 500 Bewerbern pro Halbjahr gerechnet, bisher sind fast 2000 Bewerbungen eingegangen. Um die Bewerbungsflut bewältigen zu können, hatte sich die ICANN entschieden, die Bewerbungen nicht gleichzeitig, sondern in mehreren Blöcken zu jeweils rund 500 Bewerbungen zu bearbeiten. Das hatte zur Folge, dass Bewerbungen je nach Block früher oder später bearbeitet werden würden. Da jedoch jede Verzögerung für den Bewerber einen Nachteil darstellt, entschied sich die ICANN mit dem “Digitalen Bogenschießen” für ein besonderes Verfahren, um niemanden zu benachteiligen. Der Bewerber musste sich selbst dabei einen Zeitpunkt vorgeben, an dem er einen Button drückte. Je nachdem wie genau er diesen Punkt traf, desto besser war seine Chancen bei der Bewerbung.

Es hat sich jedoch herausgestellt, dass einige Bewerber einen Service in Anspruch nahmen, bei der der ‚Schuß‘ automatisiert ausgelöst wurde. So konnten sich diejenigen bessere Chancen erkaufen, die das Geld dafür hatten. Das steht jedoch den strengen Gleichheitsgrundsätzen der ICANN entgegen.

Andrea Hanninger: Warum brauchen wir neue Top-Level-Domains?

Peter Hupfauer: Heutzutage sind viele Domains bereits belegt. Mit den neuen TLDs gibt es dann viele neue Kombinationsmöglichkeiten, die dann auch erstmalig eine konkrete Information beinhalten. Beispielsweise wird die TLD .gmbh auch nur an Gesellschaften m.b. H. vergeben werden oder die TLD .versicherung Versicherungsgesellschaften vorbehalten sein. Das stellt zudem einen Schutz für Verbraucher dar. Diese können sich sicher sein, nicht auf einer Seite mit betrügerischem Inhalt, sondern wirklich bei der XY GmbH gelandet zu sein, wenn diese über die entsprechende TLD verfügt. Welche Domains dabei geschützt sein werden, bleibt noch abzuwarten. Bei geographischen Domains, wie etwa .Berlin oder .Ruhrgebiet besteht die Möglichkeit, einen regionalen Bezug herzustellen. Für Nutzer ist im besten Fall sofort erkennbar, wer hinter der jeweiligen Domain steht und wo er zu finden ist. Die neuen TLDs können aber nicht nur dadurch zu einer neuen Übersichtlichkeit im Netz beitragen. Internetseiten der Registry-Provider, über die die TLDs erreichbar sind, können eine echte Alternative zu Suchmaschinen darstellen.

Andrea Hanninger: Worin besteht der Vorteil einer eigenen Domain für Unternehmen?

Peter Hupfauer: Für Firmen besteht der große Vorteil darin, dass sich diese zum Beispiel ihre eigene Marke schützen können sowie sich im Wettbewerb abgrenzen und gegen Konkurrenten behaupten zu können. Der Herausgeber einer Domain-Endung kann bestimmen, wer sich für eine Domain registrieren darf, ob und welche Auflagen oder inhaltliche Voraussetzungen zu erfüllen sind. Er kann Niederlassungen, Händlern und Franchiseunternehmen erlauben, seine Domain zu nutzen und diese unter seiner Marke führen. Auch für die Verbraucher bedeutet das wiederum eine Sicherheit, da man sich so sicher sein kann, tatsächlich beim Hersteller XY einzukaufen und nicht beispielsweise bei jemandem, der gefälschte Waren unter dem Markennamen vertreibt.

Andrea Hanninger: Wer kann sich bewerben?

Peter Hupfauer: Um eine Domain bewerben kann sich jedes Unternehmen. Damit die Bewerbung akzeptiert wird, muss der Bewerber den Nachweis erbringen, dass er dazu technisch, wirtschaftlich und organisatorisch in der Lage ist. In einem Fragenkatalog mit 50 Fragen muss der Bewerber dafür ausführlich zu Dingen wie Fianzierungsplan, Realisierungsweg, Schutz vor Mißbrauch, etc. Stellung nehmen. Der Aufwand dafür ist nicht als zu gering einzuschätzen und gerade für die technische Realisierung macht es Sinn, sich Unterstützung von einem Registryservice-Provider zu holen.

Andrea Hanninger: Um welche TLDs wurde sich beworben?

Peter Hupfauer: Im Großen und Ganzen kann man die TLDs in drei Großgruppen einteilen. Das sind zum einen die Namen und Marken, zum zweiten geographische TLDs wie .Berlin oder .Hamburg beispielsweise. Die dritte Gruppe werden TLDs bilden, die sich einem bestimmten Thema gewidmet sind. Beispielsweise .sport oder .golf. Letztere bieten Chancen für viele neue Unternehmen, die die Vermarktung eines Themas und ihren spezifischen Nutzen zum Unternehmenszweck haben.

Andrea Hanninger: Mit welchen Kosten muss man rechnen?

Peter Hupfauer: Neben der einmaligen Bearbeitungsgebühr der ICANN in Höhe von 185.000$ muss sich ein Bewerber auf Kosten in Höhe von 50.000$ im Jahr für den laufenden technischen Betrieb der Domain einstellen. Darüber hinaus muss man noch mit einer Gebühr für die ICANN von 20.000$ pro Jahr rechnen.

Andrea Hanninger: Welche Nachteile oder Risiken kann es geben?

Peter Hupfauer: Nachteile sehe ich eigentlich nicht. Risiken ergeben sich am ehesten aus der zeitlichen Unsicherheit, bis die Domains online gehen können. Ob eine Domain erfolgreich ist, steht und fällt mit dem Konzept, das dahinter steht. Das muss klar erkennbar und das Thema für Nutzer interessant sein, sonst ist die Domain bedeutungslos.

Andrea Hanninger: Wie geht es weiter?

Peter Hupfauer: Die ICANN ist sicherlich bestrebt, die Anträge so zügig wie möglich zu bearbeiten. Ich rechne aber nicht damit, dass erste Zuteilungen vor Frühjahr/Sommer des nächsten Jahres erfolgen werden.

Fazit

Ich bin gespannt darauf, wie die neuen Top-Level-Domains das Internet verändern werden. Zum einen werden die neuen Top-Level-Domains das Internet sicherlich bunter und ‚größer‘ machen. Ob es damit wirklich übersichtlicher wird bleibt abzuwarten. Jedenfalls bieten die neuen Domains viele Vorteile für Firmen und auch für Verbraucher, wenn die Registrierungskriterien von den Registries genau eingehalten werden. Dies ist wichtig, damit die Güte einer TLD, wie zum Beispiel .versicherung erhalten bleibt und nicht ‚verwässert‘ wird.

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